Aus den „Spessart-Sagen“ von Valentin Pfeiffer
Frau Holle, hier Frau Hulle, ist eine sagenhafte Figur, die nicht nur durch die bekannte Geschichte von der Goldmarie und der Pechmarie Verbreitung erfährt. Es gibt viele, oftmals regional verwurzelte Frau-Holle-Sagen oder Geschichten. So hat Frau Holle auch in der Sagenwelt des Spessarts einen Platz gefunden und eine Vorlage für unser Theaterstück geliefert. „Frau Hulle und der krumme Jakob“ ist der gewählte Titel der Erzählung aus der Pfeiffer’schen Sammlung. Der Inhalt besteht in dem Konflikt zwischen zwei Grafensöhnen nach dem Tod des Vaters. Der Jüngere heißt Jakob, der „der krumme Jakob“ genannt wird, denn er hat eine Behinderung und ist auch ansonsten lebensuntüchtig. Der Ältere war schon seit Lebens zornig auf den kleinen, vom Vater verhätschelten Bruder. So handelt er gänzlich gegen den letzten Willen des Vaters, nämlich, daß das Erbe gerecht zwischen beiden geteilt werden solle und nun der Ältere für den Jüngeren sorgen möge. Er behandelt jedoch den Jakob denkbar grausam und erniedrigend, so, dass dieser aus dem Schloss in den wilden Spessart flieht. Hilflos irrt er nun durch den finsteren Wald und trifft dort auf die Frau Hulle, die ihn bei sich aufnimmt. Der Handel zwischen den beiden ist nun folgendermaßen: Er muss ihr 3 Jahre lang treu dienen und sie wird im Gegenzug nach dieser Zeit zum älteren Bruder gehen, um Jakobs Erbe einzufordern. Jakob muss nun schwer arbeiten und vieles erlernen, aber er schafft es, dass Frau Hulle zufrieden ist mit ihm und sie hält jetzt ihr Versprechen. Als sie den Bruder nun in seinem Schloss aufsucht und von ihm Jakobs Erbteil verlangt, eskaliert die Situation. Er droht der Frau Hulle und will sie hinauswerfen, sie reagiert unerbittlich. Da sie als übersinnliche Erscheinung die Herrin der Unterwelt ist und nach den vergangenen Vorstellungen der Menschen ständig die Lebensfäden aus Flachs spinnt, schneidet sie dem Bruder seinen Faden ab. Anschließend sticht sie mit der Spindel in den Lindenbaum, der in der Mitte des Schlosshofes steht und von dem es heißt, solange dieser Baum lebe, würde das Geschlecht der Grafen erhalten bleiben und alles im Schloß gedeihen. Doch nun stirbt der Baum, das Schloss zerfällt, die verängstigten Bediensteten und Soldaten lassen den Bruder alleine. Der zieht sich in den Keller seiner Ruine zurück mit all seinem Geld. Ein Wintersturm läßt den toten Lindenbaum zusammenbrechen, so daß der Kellerausgang versperrt wird. Der Bruder muss dort im Keller eingesperrt zwischen all seinem Geld und seinen Schätzen elendig erfrieren und verhungern. Im Frühjahr kommt die Frau Hulle zur Schlossruine und holt für den Jakob die Hälfte des Schatzes. Der will sofort damit beginnen, das Schloss wieder aufzubauen, so dass alles wieder so werde, wie es einmal war. Doch die Frau Hulle verbietet es ihm und schickt ihn auf die Reise durch den Spessart, wo er sich gutes Ackerland suchen möge, um nun als Bauer zu leben. So erklärt diese Geschichte die Gründung des Hundsrückhofs am Eselsweg. Dort lässt sich der Jakob nun nieder, und hat Erfolg als Bauer. Aber er sehnt sich bis zu seinem Lebensende nach der Frau Hulle, die er nie wieder traf. In dieser Geschichte werden ständig große Themen wie Gerechtigkeit und Unrecht, Gehorsam und Treue, Strenge und Liebe, Lernen und Wachstum aufgezeigt. Es geht um Werte, die heute als eher nachgeordnet gelten. Frau Hulle zeigt in Worten und Handlungen Alternativen zu Habsucht, Vorteilnahme, Gefühlskälte und Ignoranz auf.
VVK-Stellen
Veranstaltungsort rollstuhlgerecht: Nein